Folge 1:

DER BLÄSER VON TRÜFFELSCHWIL

Der dicke, fette Mann mit riesigen Brillengläsern und einer schluderigen abgewetzten Uniform mit Tomatenspaghettiresten auf dem weissen, eh schon schmuddeligen Hemd, welches mit einer pseudo-modernen Krawatte zusammengebunden war, verlangte schmutzig lächelnd meinen Fahrausweis.

In meinem 68er „Alt-Bier“-Mobile roch es betörend nach Château Palmer `85 aus dem geöffneten Wagenfenster, was den stadtbekannten und banausigen Inspektor Roger Schlawinsky zu einem lauten Gekrächze hinriss.

Nanu Marroni – wieder mal `ne Orgie gehabt?

Was jedoch der dicke „Fleischklops mit Ohren“ nicht wusste war, dass mir eine Flasche des besagten Weins leider vom Fahrersitz auf eine Büchse besten Trüffelsaftes aus dem Perigord gefallen war und dem Aufprall nicht überlebt hatte. Schade – sehr schade!

Aussteigen! – Marroni – aussteigen!; riss mich der ge-Uniformierte aus meinen Gedanken. Kommen Sie schon Marroni, aussteigen! Die Beine breit und die Hände auf die Kühlerhaube!

Ich sagte ihm, was ich in solchen Situationen immer sage – was ihm aber nicht so richtig in den Kram passte.

Nachdem sich mein Buckel vom Runterrutschen wieder gelockert hatte, hielt mir der Hüter der Promille-Gesetze einen „Dräger Saftey 6510“ unter die Nase und krächzte höhnisch.

Na Marroni – was haben wir den heute Schönes getrunken?

Meinen 85 Kilo Lebenslustgewicht hatte man in der „Trüffelschwiler Bluemä-now“ bis vor einer halben Stunde gewaltig was geboten.

Angefangen mit einem Schlürfgelage in drei Akten – wobei ich den frühlingsgrünen Spargelsaft mit einem warmen Sellerieschaum so lautstark zusammen mit dem Mandarinenolivenöl in mich hinein gezogen hatte, dass sich bei der bleichen, vegetarischen Nachbarin mit gehäkeltem Pullover und roten selbst gestrickten Wollsocken die Schnallen der Sandalen wie von selbst lösten.

Ihr gehässiger Blick über die leicht verstaubte Designer-Lesebrille konnte mich aber nicht abhalten die knackigen Gurkenspaghetti an der grandiosen Zitronengrassauce lustvoll und mit lautstarkem mmhhh… und aahhh…. in mich hinein zu ziehen.

Das fast noch zappelnde Schnitzel vom Bodenseehecht war genial festfleischig und wie von

Patty Schnultz – der charmanten Service-Begleiterin – angekündigt, auch wirklich grätefrei…

„Wie viele Gläser waren es denn nun, Marroni?“ – schreckte mich der pingelige Inspektor wieder in die Realität zurück.

„Lassen Sie mich mal überlegen: Da war zuerst der nach Holunderblüten duftende… “

„Machen Sie es kurz Marroni! Mein Feierabend beginnt in 10 Minuten.“

„Es waren fünf Gläser!“

Üble Sache, Marroni!, üüüble Sache! Sie wissen doch was auf all den Plakaten steht, die wir haben aufstellen lassen.“

„Blasen sie schon endlich in diesen Alkoholtester und sie werden ihr blaues Wunder erleben.“

Ich setzte das Blasrohr an meine Lippen und trompetete ein langes: „il Silentio“ in die Nacht hinaus, dass es den Polizisten fast aus seinen Reitstiefeln hob.

Triumphierend nahm das „Ekel-in-Uniform“ das Blasrohr wieder entgegen, als wäre es eine „Walker TPK von James Bond“ und setzte seine Amtbrille auf.

„Das kann ja nicht wahr sein!“

Er schüttelte den „Dräger Safety“ kräftig, blickte nochmals auf die Skala und winselte kaum hörbar:

“0,44 !“

Im Geiste dankte ich dem Trüffelschwiler Sternekoch, dass er mich während gut drei Stunden – oder waren es vier? – göttlich verwöhnt hatte.

Die getrüffelten Kalbsravioli mit dem ersten, wunderbar milden, jungen Bärlauch, hatten wohl die Alkoholspermen von Gantenbein’s Pinot Noir völlig neutralisiert – oder war es der Toggenburger Gitzirücken mit würziger, leicht scharfer Kruste, auf dem fast kitschig grünen Ruccola-Risotto mit einem Hauch von Zitrone die mich…

ah, ja Verzeihung…“

„Hier Marroni, ihr Ausweis!“… riss mich Schlawinsky aus meinen kulinarischen Träumen zurück in die Wirklichkeit, die mir aber langsam wieder zu behagen pflegte.

 „ … und noch einen schönen Abend!“ – würgte der Polizist mühsam hervor.

Er sah aus der Wäsche wie ein Fischer der einen 20 Pfund Hecht an der Angel hatte – wohlverstanden „hatte“ – und – aber lassen wir das.

Ich setzte mein schönstes Lächeln auf, was ich sonst nur für Bundesräte- und RätInnen, sowie Ex Missen montiere, kurbelte das Wagenfenster hoch, gab Gas und fuhr fort vom gastronomischen Olymp zu träumen. Die Morcheln knisterten nicht wie üblich zwischen den Zähnen. Wie hatte das dieser Teufelskerl von einem Saucenzauberer geschafft die grüne Farbe des…

Als am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe – so um 10.30 Uhr – mich die Vögel und andere Lärmquellen aus dem Schlaf des Gerechten schreckten, tönte die erotische Engelsstimme der

Morgen-Moderatorin MONA FUTSCH wie ein Schwanengesang.

Wie heute Morgen von der schweizerischen DePêch’en-Agentur gemeldet, sind die

Alkoholkontrollen auf unseren Strassen ab sofort wieder abgeschafft, da es bei den leidgeprüften Polizisten im Einsatz zu grossen Frustrationen, unheilbaren Depressionen – jo sogäär – zu Selbstmorden gekommen sei!

Ich machte, was ich in solchen Situationen immer mache.

Ich drehe mich wollüstig auf die andere Seite, döse weiter und träume vom nächsten „Hai-Ligth“ in der „Trüffelschwiler Bluemä-now“.

So geht das…