Folge 2:

Leichen im Weinkeller

Kennen gelernt haben wir uns bei meinem Namensvetter FILLIPP GROS-CHAT von Grissier am Senfersee. Organisiert war dieses kulinarische „Hai-Light“ durch die mondäne Gourmet-Institution Le Lait&Chapeau.

CHUELI MUURER heisst er – mein heutiger Klient – und so sieht er auch aus. Seine Glatze glänzt wie ein frisch polierter Mittelklassewagen und die (un)symphatische Visage wie die eines zu gross geratenen Lausbuben. Er erzählt Geschichten sowohl von Gräsern und Farnen sowie auch von Elfen und venusartigen Geschöpfen! Ich sage nur fremd – wirklich fremd!

Wir verstanden uns dennoch recht gut am Tisch, solange ER beim Thema „Wald und Wiesen“ blieb. Zur Genüge muss ich mir immer die Vorträge meines Lieblings-Kochs, Kräuter- und Pilz-„Papst“ aus der „Trüffelschwiler Bluemä-now“ anhören.

A-pro-Po Papst.

Weit unter der Gürtellinie rezitierte CHUELI MUURER die neusten Gedichte des Papa Ratzi:

Ein Ministrant begeht ein Verdiggt,
wenn er den Papst nicht bene-dickt.
In die Sex-tinische wird er geschiggt,
bis er dann nicht mehr richtig tiggt!

Da er an Stelle von bene-„d“ickt das „d“ mit einem „f“ verwechselte, war der Fettnapf in den er sich damit setzte so riesig, dass er darin schwimmen konnte.

Die leicht angeschimmelte Ex-Blondine, die wie ein bunt behangener Christbaum an unserem Tisch (s)ass erlitt einen erdbeben-artigen Hustenanfall bei dem alle Christbaumkugeln von ihrem Hals und von ihren Ohren in den soeben gereichten Teller fielen.

Es war der Klassiker von Monsieur GROS-CHAT „Chartreuse de pointes d’asperges aux morilles à la fricassée de grenouilles et truffes noires“ – kurz Spargelspitzen mit Froschschenkel und schwarzen Trüffeln Während wir andächtig vor uns hin schwelgten, beehrte uns der grosse Meister an unserem Tisch:

„Na Marroni, ça te plaît?“ – bisd du suffriedään?

Im siebten Himmel schwebend kam nur ein mmhhh… und aahhh… aus meinem Mund. Mein Tischnachbar lallte jedoch nach seinem vierten Glas Weisswein Domaine de Chevalier 1994.

„Das  Essen ist super, doch solch alte Weine gebe ich meiner Frau zum Kochen!“

Fillipp setzte ein eisiges Lächeln auf seine Lippen, murmelte kaum verständlich so etwas wie Banause, drehte sich um und sagte:

„Isch muuss surrüüg in die Küsche“ und verschwand auf Nimmerwiedersehen.

CHUELI MUURER starrte mich fassungslos an und fragte ganz naiv – wie er nun mal ist:

„Hab› ich was Dummes gesagt?“

„Reden… (…wäre eben manchmal Silber…) wir lieber vom nächsten Essen“ – antwortete ich geistesgegenwärtig!

„Wie wär’s mit einem gemeinsamen Besuch in der „Trüffelschwiler Bluemä-now“ Frau Muurer?“

Während den nächsten Gängen achtete ich peinlich darauf, dass das Thema Wein nicht mehr erwähnt wurde, denn davon verstand der Weinbanause Muurer soviel wie ich vom Golf spielen – nämlich NICHT’S !!

Beim Hauptgang, welcher vom Präsidenten der Le Lait&Chapeau – Holand Biero persönlich kreiert war, servierte man meinen Lieblingswein Chateau Palmer 1985.

CHUELI MUURER starrte seine Gattin an, tuschelte etwas Unverständliches mit ihr, verhielt sich aber glücklicherweise ruhig und genoss den „Gigot d’agneau de lait à la tapenade d’olives“ – Milchlammkeule mit Olivenpüree.

Bis anhin hatte ich mir nicht vorstellen können, dass sich hinter einer so unsympathischen Visage mit Seeräuberbart ein solch begnadeter Superkoch verstecken könnte – wie Man(n) sich doch täuschen kann!

In der Zwischenzeit hat er jedoch seinen Bart wieder abrasiert und pflegt das Image eines Jener, die hochbepunktet ihr Tagewerk beginnen dürfen. Vielleicht hat er eine neue Freundin? – Aber lassen wir das!

Wie dieses Festmahl zu Ende ging, an das kann ich mich nur noch wie hinter einer dichten Nebelschwade schwach erinnern. – Je später der Abend – desto dichter der Nebel!~!

Mitten in der Nacht erwachte ich und stellte fest, dass es viel zu heiss war um zu Schlafen.

Ich stand auf und machte eine weitere, viel interessantere Feststellung. Es war bereits 10 Uhr morgens!

Ich tauchte meinen Brummschädel in kaltes Wasser, kämmte mir die Haare und fühlte mich wie ein geplatzter Hydrant.

Das Telefon läutete – was meinem Brummen im Kopfe nicht gefiel – was aber CHUELI MUURER am anderen Ende der viel zu langen Leitung völlig egal war.

„Marroni, ich brauche Ihre Hilfe! In meinem Keller liegen Leichen!“

„Nun mal langsam Herr Muurer – haben Sie das schon unserem Superpolizisten Inspektor Schlawinsky mitgeteilt?“

„Es geht um meine Flaschen, Marroni!“

„Ihre Mitarbeiter interessieren mich nicht – probieren sie es mal mit einem Weiterbildungsseminar für Ihre Kaderleute!“

„Marroni – es geht um meine W E I N E im Keller!

Seit dem gestrigen Anlass bei FILLIPP GROS-CHAT bin ich völlig verwirrt. Kommen sie doch bitte zu mir und sagen mir in meinem Keller, welche Flaschen noch zu trinken sind und welche ich wirklich meiner Frau zum Kochen geben muss.

Ein gutes Honorar in Form eines Nachtessens bei ihrem Lieblingskoch in Trüffelschwil ist Ihnen gewiss!“

So einem Angebot – selbst mit einem Brummschädel – konnte ich bei Gott nicht widerstehen, hatte ich doch gestern am späten Abend noch den Newsletteraus Trüffelschwil gelesen und bei „leicht geräucherter und gebratener Herzmilke auf frischen Morcheln, Mairitterlingen & Co., tropfte mir das Wasser derart aus dem Mund, dass ich den Badezimmerboden feucht aufnehmen musste.

Am nächsten Morgen startete ich mein 68er „Alt-Bier“-Mobile und tuckerte gemütlich nach Bockhausen wo mich CHUELI MUURER schon ungeduldig erwartete.

Nach einem – zum Glück kurzen – Apéro auf seiner Gartenterrasse mit einem Null-acht-fünfzehn-Chasselas aus dem Zinnbecher(!), führte er mich zu seinen heiligen Hallen. Dabei gelang es mir – ganz unauffällig – den metallverseuchten Brennsprit hinter den blühenden Forsythienstrauch zu schütten – armer Strauch!

Da lagen sie nun – wie nach dem 30-jährigen Krieg – aufgebahrt – „Leichen“ über „Leichen“!

„Haben Sie vielleicht ein Thermometer da?“; erkundigte ich mich beim Hausherrn.

„Natürlich Marroni – natürlich!“ – voller Stolz zeigte er mir ein kunstvoll geschmiedetes Prachtexemplar einstiger Schmiedekunst, welches ebenso stolze 22° Grad Celsius anzeigte.

Üble Sache Herr Muurer – üüüüble Sache!

Bei solchen Temperaturen können sie mit Ihrem ganzen Weinkeller an Weihnachten eine Glühwein-Party veranstalten!“

CHUELI MUURER sackte in sich zusammen wie eine Baubaracke in der Wüste Gobi nach einem Erdbeben der Stärke 6.5 auf der nach oben offenen Richterskala und murmelte ….. „Heiliger Benedikt der Sexte!“

„Aber hier Marroni, schauen Sie sich doch meine neusten Einkäufe an, alles grosse Namen zu einem Schnäppchenpreis! MOUTON ROTHSCHILD, SASSISAIA, GAJA – ja – jaah – da staunen sie Marroni! Alles vom Spitzenjahrgang 2001. Das hat mir der Weinhändler PANTSCHO VILLA von Bockhausen für einen Pappenstiel verkauft!“

Hätte dieser Etikettentrinker gewusst, dass man für fast einen Zehntel des Preises mit dem Pannobile rot vom Weingut Beck aus Gols am Neusiedlersee – in der Nähe der Sissi-Auen – ähnliches Trinkvergnügen haben könnte, wäre er vollständig zusammengebrochen.

Über SASSICAIA & CO will ich mich lieber nicht länger äussern!

So geht das.